
Die Qual der Wahl
Entscheidungen prägen unser Leben, von den winzigen (Schokolade oder Apfel) bis hin zu den großen Lebensfragen. Warum sind manche Entscheidungen einfach – und andere lassen uns wochenlang wach liegen? Und gibt es einen geheimen Trick, der uns all das leichter macht?
Können Sie sich an meinen Artikel über Achtsamkeit in der Sommer-Ausgabe des BEAUTY CLUB AUSTRIA-Journals erinnern? Da ging᾽s um die, für mich schwierige Aufgabe, einen Artikel über Achtsamkeit zu schreiben. In meinem Alltag mit zwei pubertierenden Töchtern, Mann, Hund und Selbstständigkeit regelmäßige Auszeiten für mehr Achtsamkeit im Leben einzuplanen, das klingt für mich auch jetzt noch einfach unvorstellbar. So sehr ich auch davon überzeugt bin, dass es gut für mich (und somit durchaus auch für die Nerven meiner Mitmenschen) wäre … ich arbeite daran.
So weit, so gut. Dann kam in unserer Redaktionsbesprechung der nächste Artikel-Vorschlag: „Mach ma was über das Thema Entscheidungen treffen!“ Gut, mach ma!
Klingt leicht, Entscheidungen treffen wir alle ja täglich.
Einige davon sind klein und eher unscheinbar: Kaffee mit oder ohne Milch, wenn Milch, dann Kuhmilch oder doch lieber die neueste Hafer-Barista-Sorte. Kino oder doch auf der Couch knotzen, Pasta oder Pizza. Andere sind größer und haben möglicherweise weitreichende Konsequenzen, da wird es dann schon schwieriger: Ein neues Auto kaufen oder lieber noch warten, den Job wechseln oder im gewohnten Team bleiben, zusammenziehen oder getrennte Wohnungen behalten – bei diesen Entscheidungen denkt man – sofern es keine reine Frage des Bauchgefühls ist – schon länger nach.
Und am schwierigsten war es dann, als ich mir eingestehen musste: Nicht nur beim Thema Achtsamkeit bin ich schlecht, mit Entscheidungen hab ich᾽s eigentlich auch nicht so wirklich.
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Drahtseilakt
Manchmal fühlen sich Entscheidungen an wie ein Drahtseilakt zwischen „dem Richtigen“ und „dem, was ich wirklich will.“
Trotz ihrer unterschiedlichen Tragweite prägen alle Entscheidungen unser Leben und unsere Zufriedenheit. Aber wie treffen wir eigentlich Entscheidungen und welche Faktoren spielen dabei eine Rolle? Sind sie simpel und nachvollziehbar, oder doch umfangreiche Prozesse, bei denen beispielswiese kognitive Verzerrungen, soziale Einflüsse und die Bedeutung von Emotionen und Selbstkontrolle eine große Rolle spielen? Ja, Sie vermuten richtig: Es ist umfangreicher, als man im ersten Moment vermutet.
Der Kognitivpsychologe und Wirtschaftswissenschaftler Herbert Simon hat bereits 1947 festgestellt: „Die Kunst des Handelns liegt nicht darin, die beste Entscheidung zu treffen, sondern eine gute Entscheidung zu treffen“.
Existenzspsychologe Rollo May sieht in der Qual der Wahl eine simple, aber umso weitreichendere Ursache: „Die Angst vor der Entscheidung ist die Angst vor der Freiheit.“
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Bestandsaufnahme
Wie also ein Thema angehen, mit dem man ein Problem hat? Eine Bestandsaufnahme muss her! Wo fallen mir Entscheidungen leicht, wo muss ich länger darüber nachdenken und wo zögere ich sie so lange hinaus, dass ich sie gar nicht mehr treffen muss?
Bald war klar: Diese Übersicht ist eindeutig abhängig von meiner Tagesverfassung. An manchen Tagen rennt es sprichwörtlich wie geschmiert, an anderen verzweifle ich oft wegen meiner eigenen Unentschlossenheit. Da ist es dann auch nicht hilfreich vom Gegenüber ein „Entscheid du, mir ist es egal!“ zu hören. Bei meinem Artikel hat mich diese Erkenntnis aber leider auch nicht weitergebracht.
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Entscheide dich und lebe!
Der Abgabetermin in die Druckerei rückt näher, die Grafikerin beginnt nachzufragen (danke für deine Geduld an dieser Stelle!) – bloß, was soll ich schreiben? Eine Entscheidung muss her!
Diese habe ich dann rasch getroffen: Ich brauche Unterstützung. Gefunden habe ich sie in Form eines Buches aus dem bene!-Verlag (danke, Michaela, für den Buchtipp!).
Bestseller-Autorin Melanie Wolfers hat ein Buch genau zu „meinem“ Thema geschrieben. Und nachdem ich offensichtlich nicht die ideale Vermittlerin von fachlichen Inputs zum Thema Entscheidungen bin, stelle ich gerne ein paar Themen aus diesem Buch vor.
„Entscheide dich und lebe!“ ist im Grunde der ultimative Ratgeber für alle, die auch schon mal in der Schlange vor dem Eisverkäufer standen und überlegten, ob sie Schokolade oder doch lieber Mango nehmen sollten.
Wolfers zeigt uns: Entscheidungen sind keine Glückssache, sondern eine Kunst, die wir meistern können – selbst bei diffizileren Fragen als den Eissorten.
Das Buch nimmt uns mit auf eine Reise durch die typischen „Entscheidungsfallen“: Man möchte alles richtig machen, hat Angst vor der falschen Wahl und windet sich so lange, bis das Problem plötzlich irgendwie verschwunden ist (oder einfach ignoriert wird). Wolfers macht Schluss mit dieser „Ich-sehe-nichts-ich-höre-nichts“- Taktik und zeigt, wie wir den Prozess aktiv angehen, unsere Entscheidungskompetenz ausbauen und nicht ständig auf den „Vielleicht später“-Button drücken. Mit jeder Menge praktischer Tipps und einem Augenzwinkern erklärt sie, wie wir Entscheidungsblockaden auflösen, unsere Werte als Kompass einsetzen und auch bei großen Lebensentscheidungen mutig voranschreiten können – und das ganz ohne Panik.
Das Besondere an diesem Buch: Wir können wählen, wie wir es lesen wollen – und damit eine erste Entscheidung treffen. Möchte ich mich grundsätzlich über das Thema informieren, dann sind Abschnitte markiert, die man ruhig überspringen kann. Wenn aber Klarheit gesucht wird, weil eine konkrete Entscheidung ansteht, dann kann man das Buch als ganz persönlichen Ratgeber nutzen und sich von Themen und Fragestellungen leiten lassen, die besonders interessieren. Besonders hilfreich ist dabei die Möglichkeit, durch gezielte Kapitelwahl und Reflexionen nur die Aspekte zu wählen, die individuell hilfreich sind und damit ermöglichen, Schritt für Schritt Entscheidungsängste zu überwinden.
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Angst vor Entscheidungen
Oft kommt es aus Furcht, nur eine suboptimale Wahl zu treffen, zu Entscheidungsblockaden. Der Soziologe Heinz Bude beschreibt diese Entwicklung als eine „Gesellschaft der Angst“. Wie ein ständiges Hintergrundrauschen herrsche heutzutage eine Grundangst, beim permanenten Auslesewettbewerb nicht mithalten zu können. Viele halten sich so viele Optionen wie möglich offen, weil ihnen die Angst im Nacken sitzt: „Bin ich gut genug? Tue ich das Richtige? Kann ich das Richtige? Will ich das Richtige?“
Mit dieser Angst im Nacken gewinnt jede Entscheidung ein übergroßes Gewicht. Für Wolfers gibt es hier keine ultimativen Tipps, um angstfrei zu entscheiden. Vor allem aber: Es ist für die Autorin überhaupt kein sinnvolles Ziel, generell angstfrei entscheiden und leben zu wollen! Angst lässt in uns jene Sensibilität wachsen, die wir für eine kluge Entscheidung brauchen. Sie warnt vor leichtsinnigen Entschlüssen, etwa fahrlässig den Job oder eine Beziehung zu gefährden. Hinter all diesen Ängsten verbirgt sich in der Tiefe Lebensangst: Angst um das Leben – um das eigene wie um das von anderen. Und Angst vor dem Leben, vor seinen Unwägbarkeiten, Verletzungen und Herausforderungen. Zu den „Geschäftsbedingungen des Lebens“ gehört, dass es keine Versicherung gegen eine Fehlentscheidung gibt. Dass nicht alles optimierbar und die ablaufende Zeit nicht umkehrbar ist. In dem Maß, in dem diese Spielregeln des Lebens akzeptiert werden, werden wir lernen, mit unseren Ängsten besser umzugehen. Und eine gute Wahl treffen können.
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Der Rahmen einer guten Entscheidung
Wolfers ist überzeugt: Für die Kunst einer klugen Wahl und eines selbstbestimmten Lebens braucht es vor allem eines: die Fähigkeit und Bereitschaft zum Innehalten und zur Selbsteinsicht.
Gute Entscheidungen brauchen Zeiten und Räume, in denen wir über unsere eigenen Motive und Wünsche nachsinnen und über unser Leben nachdenken.
Wolfers Tipp: Entscheidungen brauchen Zeit, um zu reifen. Meditieren Sie Ihre Entscheidung. Reservieren Sie für jeden Tag einen festen Zeitraum und -umfang, in dem Sie sich Ihrer Frage widmen, in sich hineinhorchen, Ihre Gedanken aufschreiben. Ein positiver Nebeneffekt: Solche festen Zeiten entlasten den Alltag. Wenn Sie tagsüber anfangen sollten zu grübeln, sagen Sie: „Stopp! Ich werde mich dieser Frage in meiner Reflexions- und Meditationszeit in aller Ruhe widmen.“

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Der geheime Trick
Gibt es also einen geheimen Trick für die perfekte Entscheidung? Die mehr oder weniger überraschende Antwort lautet: Jein. Während sich die Wissenschaft viel Mühe gegeben hat, Entscheidungsprozesse zu analysieren und zu optimieren, bleibt eine gewisse Unsicherheit immer dabei – und das ist vielleicht auch gut so. Aber ja, es gibt ein paar psychologische Hacks, die den Entscheidungsprozess oft leichter machen:
1. Das 5-Sekunden-Prinzip: Triff eine kleine Entscheidung in maximal fünf Sekunden, bevor dein Gehirn anfängt, mit „Was wäre, wenn“-Szenarien um die Ecke zu kommen. Klingt simpel, aber manchmal reicht genau dieser Mini-Schubs.
2. Die 10-10-10-Regel: Überlege, wie du dich in zehn Minuten, zehn Monaten und zehn Jahren mit der Entscheidung fühlen wirst. Klingt dramatisch? Vielleicht. Aber dieser Zeitsprung verschafft dir oft eine ganz andere Perspektive.
3. Der „Wenn-nicht-jetzt-wann-dann“-Ansatz: Du hast eine Entscheidung immer wieder verschoben? Frage dich einfach: Warte ich auf ein ideales Zeichen, oder wäre jetzt vielleicht der perfekte Moment? Das zwingt dich, die Konsequenzen des Hinauszögerns ehrlich zu betrachten.
4. Delegieren – wenn möglich: Manchmal hilft es, wenn wir Entscheidungen mit anderen besprechen oder ihnen überlassen. Klar, es klingt bequem, aber oft fällt es anderen leichter, unsere „Blockaden“ zu lösen.
Am Ende gibt es also nicht den einen magischen Trick – sondern viele kleine Hilfsmittel, die zusammen doch ein bisschen wie Zauberei wirken können. Eines lässt sich sicher sagen:
Entscheidungen zu treffen ist wie das Leben selbst – manchmal überraschend, manchmal aufregend, oft schwer, und gelegentlich fragt man sich am Ende: „Was hab’ ich mir eigentlich dabei gedacht?“ Aber egal, ob wir am Morgen vor dem Kleiderschrank stehen oder eine lebensverändernde Wahl vor uns haben, am Ende heißt es immer: besser entschieden und gelebt als gegrübelt und verpasst.
Nehmen wir die Entscheidungslast ein bisschen leichter – um das Leben dann umso mehr zu genießen!
Sandra Gruberbauer

Entscheide dich und lebe!
M. Wolfers. 256 S.,
EUR 19,90 BENE